Seit dieser Woche steht am Bahngelände beim Bahnhof St. Veit ein fast 30 Meter hoher Funksendemast. Er ist nicht zu übersehen und wurde entsprechend auch (social)medial schnell zum Aufreger.
Auffällig und medial aufgebauscht
Am Samstag, 17. Mai 2025, veröffentlichte Bürgermeister Christian Fischer gegen 10:30 Uhr auf seinem Facebook-Profil zwei Bilder von sich und Vizebürgermeister Jun, beide posieren vor dem GSM-Mast. Der Begleittext:
„Ohne jede Vorinformation, ohne Mitsprache und ohne jegliche Parteienstellung wurde von der ÖBB mitten in unserer Gemeinde ein 30 Meter hoher Funkmast errichtet!
Ein derartig massiver Eingriff in unser Ortsbild ist inakzeptabel!
Ich werde alle rechtlich und politisch zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen, um eine Verlegung des Funkmastes an einen verträglicheren Standort zu erreichen!
St. Veit an der Gölsen Negatives @Highlight.“
Die Resonanz ließ nicht lange auf sich warten. Unter dem Beitrag entlud sich der Unmut vieler Bürger, die Schuld wurde schnell bei den ÖBB gesucht. Doch nicht alle Kommentare waren rein emotional: Einige Nutzer erinnerten sachlich an die bereits bekannten Planungen und öffentlichen Informationen rund um das Projekt.
Die Sachlage: Kein Schnellschuss der ÖBB
Tatsache ist: Dieses Projekt fiel nicht vom Himmel. Im Rahmen des ÖBB-Rahmenplans 2024–2029 werden bundesweit 21,1 Milliarden Euro (21.100.000.000 €!) in den Ausbau des Bahnnetzes investiert – dies hat die schwarz-grüne Bundesregierung damals auf den Weg gebracht – davon entfallen rund 141 Millionen auf die Traisentalbahn. Die sogenannte Elektrifizierung, Attraktivierung und Ertüchtigung betrifft somit auch das Gölsental, mitsamt massiven baulichen Eingriffen entlang der Strecke.
Bereits im Dezember 2023 stellte die ÖBB die notwendigen Anträge. Im März 2024 folgte die öffentliche Projekt- & Planpräsentation im Volksheim Traisen, mit Anwesenheit vieler Bürgermeister der Region, darunter auch Christian Fischer. Die Einsichtsfrist für die Projektunterlagen dauerte von 27. Mai bis 12. Juli 2024. Die Einsicht war ebenso auch direkt bei uns im Gemeindeamt St. Veit möglich. Und am 28. August 2024 fand eine ganztägige öffentliche Verhandlung statt. Diese Fakten sind dokumentiert und öffentlich einsehbar. Quellen und Links, finden Sie am Ende des Beitrages.
Die Gemeindeführung tut überrascht – warum?
Angesichts dieser Tatsachen wirkt die jetzige Aufregung des Bürgermeisters wie ein schlechter Scherz. Ein bekannter Spruch sagt „wer lesen kann ist klar im Vorteil“. Fischer war über den Projektumfang informiert. Er war sogar bei der Präsentation im März 2024 anwesend. Die Unterlagen lagen in seinem eigenen Gemeindeamt zur Einsicht auf.
Die plakative Behauptung, es habe „keine Vorinformation, keine Mitsprache, keine Parteienstellung“ gegeben, ist schlicht nicht haltbar. Man fragt sich: Hat sich die Gemeindeführung schlicht nicht die Mühe gemacht, die Unterlagen durchzusehen? Ein Bürgermeister, der seine Hausaufgaben nicht macht und dann andere anklagt, hat seine Aufgabe nicht verstanden.
Wichtiger als Aufregung: Verantwortung und Weitsicht
Der Mast steht, ebenso wie unzählige neue Betonmasten entlang der Bahnlinie oder die bereits erfolgte Rodung im Auerwald. Auch das sind erhebliche Eingriffe ins Orts- und Landschaftsbild.
Wenn Fischer jetzt von „inakzeptablem Eingriff ins Ortsbild“ klagt, hätte er selbst frühzeitig thematisieren und mitgestalten können. Stattdessen wird plötzlich aufgeschrien, nicht aus Überzeugung, sondern weil man hofft, damit von der eigenen Untätigkeit abzulenken.
Und apropos Ortsbild: Wo war die Sensibilität, als die Gemeinde unter Fischers Verantwortung einen WC-Container mitten vor eine denkmalgeschützte Mauer setzte? Wer bei der eigenen Arbeit so wenig Sorgfalt zeigt, sollte mit Kritik an anderen vorsichtig sein.
Gelöschte Kommentare statt offener Diskussion
Besonders bedenklich ist der Umgang mit Kritik. Fischers Facebook-Beitrag samt der vielen Kommentare – teils zustimmend, teils sachlich kritisch – wurde inzwischen gelöscht. Ein Muster, das sich wiederholt: Auch bei vergangenen Diskussionen verschwanden kritische Kommentare oder ganze Beiträge (z. B. zum Thema Hundekot) kommentarlos, dies aber von der offiziellen Gemeindeseite.
Dieses Verhalten ist der Position eines Bürgermeisters – und Bundesrats – nicht würdig. Wer öffentliche Ämter bekleidet, sollte auch öffentlich Kritik aushalten. Zensur oder das Löschen von Kommentaren untergräbt das Vertrauen der Bevölkerung.
Bürger wollen mitreden – nicht nur zusehen
Gerade diese Situation zeigt, wie sehr es in St. Veit an vorausschauender Gemeindepolitik fehlt. Das hat auch zur Gründung der Bürgerliste beigetragen. Die Menschen wollen nicht nur informiert, sondern auch aktiv eingebunden werden. Dazu braucht es keine inszenierten Empörungs-Postings, sondern regelmäßige, parteiunabhängige Informationsveranstaltungen.
Hier einige Themen, bei denen aktuell Klarheit fehlt:
Energiegemeinschaften: Was passiert jetzt nach der Gründung, wo sind die Informationen?
Wertstoffsammelzentrum: Wann startet das Projekt, wie ist der Stand der Dinge?
Verkehrskonzept Bahnstraße: Gibt es ein Sicherheits- und Verkehrskonzept rund um die neue Polizeiinspektion?
Infrastrukturprojekte: Köckbrücke wird neu gebaut, wie ist der Status bei der Taxelbauerbrücke und Sportplatzbrücke?
Unternehmen und Arbeitsplätze: Wie will die Gemeinde neue Unternehmen ansiedeln und bestehende Firmen unterstützen um Arbeitsplätze in der Gemeinde zu schaffen?
Fazit: Verantwortung statt Showpolitik
Es braucht keine Fotos vor einem Funkmast. Es braucht keinen Empörungsmodus auf Facebook. Was es braucht, ist Verantwortung. Und die beginnt mit rechtzeitiger Information, mit ehrlicher Kommunikation, mit Bürgernähe und mit einem offenen Ohr für Kritik.
St. Veit hat mehr verdient als Aufmerksamkeitsmanagement. Es braucht echte Gemeindearbeit. Ohne Inszenierung. Ohne Löschfinger. Dafür mit Mut zur Transparenz und echtem Dialog!
Quellen:
Edikt mit Antrag:
https://www.noe.gv.at/noe/Lilienfeld/Traisentalbahm.html
Bezirksblätter Infoveranstaltung am 06.03.2024:
https://www.meinbezirk.at/event/lilienfeld/c-workshop-seminar-infoveranstaltung/planausstellung-attraktivierung-traisental-und-goelsentalbahn_e1210971
Gemeinde Hainfeld über Besuch der Veranstaltung:
https://www.hainfeld.gv.at/Attraktivierung_der_Traisental-_und_Goelsentalbahn_OeBB_praesentiert_Plaene_in_Traisen
Kundmachung Verhandlungsschrift vom 28.08.2024:
https://www.noe.gv.at/noe/St-Poelten/Traisentalbahn.html
Screenshot vom Facebook-Posting: