Gedanken über die vergessene Unabhängigkeit der Gemeinderäte in Niederösterreich.

Wenn man über Politik spricht, denken viele zuerst an den Nationalrat, an Minister oder an Parteivorsitzende. Aber die ersten Entscheidungen, die uns als Bürger unmittelbar betreffen, werden oft viel weiter unten getroffen: im Gemeinderat.
In Niederösterreich sind diese kommunalen Gremien oft fest in Parteihänden. Die Fraktionen dominieren und mit ihnen ein stillschweigender Kodex, der kaum je öffentlich infrage gestellt wird.

Doch wie viele Gemeinderäte wissen eigentlich, dass sie nicht an Parteivorgaben gebunden sind? Dass sie ihr Mandat frei ausüben dürfen, ja eigentlich: müssen?

Der Mythos der Parteidisziplin

In vielen Gemeinderäten funktioniert die Arbeit wie in einem Verein mit strikter Hierarchie. Der Klubobmann oder Fraktionssprecher gibt die Linie vor, man stimmt geschlossen ab, fertig. Abweicher gelten als illoyal, als Störenfriede, als Gefahr für den Zusammenhalt. Parteipolitik wird so zur Gehorsamspflicht, nicht zur Willensbildung.

Doch das widerspricht in einem Grundsatz dem demokratischen Prinzip. In Österreich gilt: Ein Mandatar – also ein gewähltes Mitglied eines Gemeinderats – ist ausschließlich seinem Gewissen verpflichtet. Das steht nicht irgendwo im Kleingedruckten, sondern ist gesetzlich klar geregelt. Weisungsfreiheit bedeutet: Auch wenn jemand über eine Parteiliste gewählt wurde, ist die Entscheidungsmacht im Gemeinderat individuell und nicht kollektiv gebunden.

Wie ist es üblich? Vor einer Gemeinderatssitzung gibt es die sogenannten Fraktionssitzungen. Dort werden die Punkte der Tagesordnung besprochen und darauf hingewiesen, wofür man stimmt und wofür nicht. Hier stinkt der Käse, gerade in einer Gemeinde. Alle Mandatare sind auch Gemeindebürger und sollten für Dinge stimmen, welche den Menschen dienlich sind und gegen Punkte stimmen, welche sinnlos sind. Leider gewinnt auch bei uns in St. Veit viel zu oft die Parteilinie. Besonders die letzte Funktionsperiode wirkte mehr wie ein Machtkampf als ein offener Dialog. Wirkliche Wortmeldungen oder Kommentare zu Abstimmungspunkten waren leider eine Seltenheit.

Schweigen als Systemfehler?

Warum aber halten so viele Mandatare still? Die Antwort ist unbequem: Aus Angst, aus Bequemlichkeit oder schlicht aus Unkenntnis. Viele – besonders neue Mitglieder – wissen nicht einmal, dass sie sich querstellen dürften. Die Parteikultur wird nicht hinterfragt, sondern übernommen. Das beginnt oft schon mit der Auswahl der Kandidaten, die sich meist über Loyalität zur Partei oder gar den „Chef’s“ der Ortspartei definieren, nicht jedoch über individuelle Positionen oder Fachkompetenz.

Noch problematischer: Solch ein System produziert willige Vollstrecker statt eigenständig Denkender. Die demokratische Debatte, wird zur bloßen Formalität. Unterm Strich hat einer das Sagen und der Rest zeigt auf, ein großes Problem bei absoluten Mehrheiten. Beschlüsse werden durchgewunken, Kritik wird intern „geregelt“, Öffentlichkeit scheut man wie der Teufel das Weihwasser.

Es geht auch anders

Zwar nicht häufig aber doch, gibt es Gemeinderäte mit Rückgrat, die sich diesem Klubzwang entziehen, oft mit persönlichem Risiko. Sie sprechen Missstände offen an, stimmen gegen die Parteilinie, machen ihre Entscheidung transparent. Doch sie bleiben Ausnahmen und in St. Veit sind diese auch nicht vorhanden. Obwohl es oft gerade diese Menschen sind, die von den Wähler besonders geschätzt werden, weil sie eben nicht „funktionieren“, sondern agieren.

Deswegen die Alternative und die Idee der Bürgerliste in St. Veit. Medien geben solchen Bewegungen gerne den Stempel „Protestwähler-Partei“. Wenn nun 13,6 % der Bevölkerung aus Protest eine politisch und parteiisch unabhängige Gruppierung unterstützt, dann dürften die Dinge wirklich nicht gut stehen in St. Veit.
Jedenfalls hat die Bürgerliste St. Veit Miteinander Großes vor im Gemeinderat, nämlich Probleme und Dinge die in der Gemeinde schieflaufen, offen und kritisch anzusprechen. Davon lebt die Demokratie. Ziel sollte sein, den kleinsten gemeinsamen Nenner zu finden, das hat – das seit Jahrzehnten Rot dominierte – St. Veit wohl leider vergessen.

Ein Aufruf zur Selbstermächtigung

Dieser Beitrag ist ein Appell: an alle Gemeinderäte, aber auch an Bürger, sich der Bedeutung kommunaler Politik bewusst zu werden. Wer ein Mandat annimmt, übernimmt Verantwortung, nicht gegenüber einer Partei, sondern gegenüber der Bevölkerung.

Parteiinterne Loyalität darf nicht über demokratischer Integrität stehen. Gemeindepolitik braucht keine Ja-Sager. Sie braucht Menschen mit Rückgrat, mit Haltung und mit dem Wissen, dass sie das dürfen: anders denken, anders abstimmen, anders handeln.

Wir hoffen, dass auch alle St. Veiter Gemeinderäte sich diesen Beitrag zu Herzen nehmen und über ihre Funktion und Verantwortung nachdenken. Nur weil es Parteilinie ist, muss es nicht gut und schon gar nicht richtig sein. Für die kommende Funktionsperiode sind wir optimistisch, dass der gesamte Gemeinderat gut zusammenarbeitet und St. Veit ein Stück in eine bessere Richtung bringt.